Luis Camnitzer
Luis Camnitzer wurde 1937 in Lübeck geboren und ist 1939 mit seinen Eltern nach Uruguay ausgewandert. Er hat in den 50er Jahren in München Kunst studiert und lebt und arbeitet in New York und in Lucca/Italien. Er ist ein international bekannter Konzeptkünstler und war mit seinen Arbeiten auf der Biennale in Venedig und der Documenta 11 vertreten – viele seiner Kunstwerke sind Bestandteil der Sammlungen bedeutender Museen weltweit. Er selbst schreibt zu seiner Kunst : „Wenn ich recht darüber nachdenke, bin ich nicht wirklich an Kunst interessiert. Ich bin in erster Linie an Ethik interessiert – an der Bewahrung der Fähigkeit, zwischen Gut und Schlecht zu unterscheiden. Das ist eine Fähigkeit, die heute anscheinend rasant verloren geht. Der Fundamentalismus, der Religionen genauso durchdringt wie politische und ökonomische Kräfte, hat sie zu einem rein subversiven Akt des Widerstandes werden lassen. Wir befinden uns in einem rückschrittlichen Prozess, der uns in ein feudales System mit einer Zweiklassengesellschaft führt, die Sklaverei als eine Produktionsweise akzeptiert. Nachdem das, was gute, progressive Guerillabewegungen vor einem halben Jahrhundert ausmachte, vernichtet und zu einer Sache von gestern gemacht worden ist, Homeless scheint es jetzt, als ob wir nur durch ethisches Verhalten einigermaßen Boden behaupten können. Deshalb nimmt Politik – als Möglichkeit, strategisch ethische Widerstandshandlungen einzusetzen – einen wichtigen zweiten Platz in meinem Handeln ein. Mehr zufällig ist in meiner Biografie die Kunst zu dem Instrument geworden, durch das ich all dies ausdrücke. Deshalb kann sie nur einen bescheidenen dritten Platz beanspruchen. Da die Kunst die Funktion hat, Wissen zu erweitern, indem sie Voraussetzungen verändert, Neues vorstellt, Augen für das öffnet, was man normalerweise nicht sieht, stellt sich Kunst nicht nur als ein ziemlich gutes Instrument heraus, sondern auch als eines, das subversive Wirkungen haben kann. Kunst untergräbt etabliertes Wissen. Kunst ist ein Multifunktionsinstrument, ein konzeptuelles Schweizer Messer. Man öffnet sie und findet Form, Inhalt und Handwerk, aber auch Ironie, Humor und Gift. Wenn meine Be - rufs wahl nicht Folge eines biografischen Zufalls gewesen wäre, hätte ich deshalb wahrscheinlich ohnehin die Kunst als das beste Instrument wählen müssen, um die politischen Strategien umsetzen zu können, die die Ethik braucht.“
Luis Camnitzer(übersetzt aus dem Amerikanischen von Prof. Manfred Siebald)