Wilhelm Neußer

Wilhelm Neußer, Jahrgang 1976, lebt und arbeitet in Köln. Er studierte an der Staatlichen Akademie der bildenden Künste in Karlsruhe bei den Professoren van Dülmen und Klingelhöller, an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe absolvierte er ein Gaststudium der Kunstwissenschaften bei den Professoren Belting und Gohr.
In der Reihe „Homebanking“ von 2007 beschreibt Wilhelm Neußer Architekturen, die kaum noch als solche wahrgenommen werden. Die minimalen Mittel, mit denen obdachlose Menschen sich einen Rückzugsraum schaffen, liefern die Grunddefinition von „Haus“ und „Heim“. Die Umfriedung eines Raumes als Schutz vor äußeren Einflüssen, sei es das Wetter oder der Blick der Anderen. Kartons, Planen und Äste erinnern an verspieltes „Hüttenbauen“ und verwässern den Blick auf die existenzielle Not, gleichzeitig verweisen sie auf eine urtümlich kreative Fähigkeit.
Malerisch vollzieht Neußer das „Basteln“ einer solchen Unterkunft nach, indem er den Raum förmlich aus dem Untergrund schält. Aus der mit flüssiger brauner Farbe getränkten Leinwand malt er die zeltartigen Herbergen heraus, die Schichtung von Farbflächen deckt sich auf der Bildebene mit der Schichtung von Materialien. Aller Illusionismus zerfällt, wenn wir erkennen, dass die vorderste Bildebene mit dem Hintergrund identisch ist. Das Konstrukt offenbart seine Fragilität, wenn Spannseile sich im undefinierten Bildraum verlaufen und Farbflächen wie durchlässig erscheinen. Die stark gebrochen Farbigkeit unterstreicht noch einmal, dass es sich hier um die entgegengesetzte Welt der Hochglanzmagazine handelt.
Mit dem Titel „Homebanking“ ergänzt Neußer ein zynisches Wortspiel, das unser heutiges Selbstverständnis eines Zuhauses karikiert. Bei demjenigen, der die Technik des bargeldlosen Geldtransfers nutzt, ist das „Home“, das er nicht verlassen muss, schon vorausgesetzt. Am anderen Ende unserer Gesellschaft finden wir die Menschen, denen die Bank als öffentliches Möbel notgedrungen zum „Home“ geworden ist, meist auch bargeldlos!

Alexandra Thomas

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